Autor: Stefan Kyora
Datum: 13.06.2003
Sektion/Seite: Innovation, Seite 16
Original-Artikel im .pdf Format: cash120603.pdf
Lieber Chef als Aushilfskellner
Wie Studenten mit Trendgespür Firmen gründen, die
Erfolg haben.
Theoretischen Lernstoff gibt es für Jus- und Ökonomiestudenten
an den Hochschulen genug. Wer neben dem Studium noch eine
Firma gründet, erhält noch eine Ausbildung im praktischen
Problemlösen gratis dazu.
Etwas überrascht waren die Kollegen schon, als Manuel
Fröhlich während der Rekrutenschule mit seinem Handy
ständig Mails beantwortete. Zumal sich seine Botschaften
nicht an Bekannte, sondern an Kunden richteten. Seit zwei
Jahren betreibt der zwanzigjährige angehende Student
einen Internetshop für Zigarren. Fröhlich hatte
sein Gründungskapital bei McDonald’s verdient. Um mit
dem wenigen Geld zu einem ansprechenden Design für den
Shop zu kommen, nutzte er seinen direkten Zugang zum günstigen
Arbeitskräftereservoir der Mitschüler – allerdings
nicht ohne Qualitätskontrolle.
Sich nicht zu beklagen, sondern Probleme kreativ zu lösen,
sei ein typisches Kennzeichnen der jungen Firmengründer,
meint Maxim Markert. Der HSG-Student ist Präsident von
Start St. Gallen, einer Organisation, die unternehmerisch
denkende Studenten fördert (siehe Box). Das sind nicht
wenige: Eine Umfrage von Start ergab, dass rund 200 der 5000
St. Galler Nachwuchsökonomen und -juristen schon eigene
Firmen betreiben.
Als Student hat man einen breiten Überblick über
neue Trends im gesamten Fachgebiet und kann deswegen abschätzen,
wie sich die Arbeit der Praktiker verändern wird. Das
machte sich Jusstudentin Sarah Montani zu Nutze, die 1998
die Berner Weblaw mitgründete. Sie erkannte die Bedeutung
des Internets früh und bot Kurse für juristische
Internetrecherchen an. Heute beschäftigt Weblaw zehn
Mitarbeiter und betreibt mit seinem neuartigen juristischen
Newsletter eines der wenigen erfolgreichen kostenpflichtigen
Angebote im Schweizer Internet. Mit dem Abschluss ihres Studiums
konnte Montani vor wenigen Wochen auch einen persönlichen
Erfolg feiern. Im zweiten Semester entschloss sich die Tochter
von Walliser Weinbauern, ihr Geld nicht wie üblich mit
dem Sortieren von Akten in einer Anwaltskanzlei zu verdienen,
sondern ihr Können als eigene Chefin zu vermarkten. Das
war nicht ganz einfach. «Es ist nicht leicht, die für
wissenschaftliche Arbeit notwendige Ruhe aufzubringen, wenn
jede Minute ein neues Mail ankommt», resümiert
Montani. Die Studentin bekam das Problem erst in den Griff,
als sie in jeden Tag eine Zeitinsel für ihre juristischen
Studien einbaute. Davon profitierte auch ihre unternehmerische
Kreativität. Auch nach dem Lizenziat legt sie deswegen
jeden Tag eine halbstündige Pause zum Nachdenken ein.
«Ausser an sehr hektischen Tagen. Da nehme ich mir eine
Stunde Zeit», unterstreicht Montani.
Infokasten zu START:
«Die entscheidenden Kontakte zur Wirtschaft hat man als
Student noch nicht», erläutert Maxim
Markert,
Prä- sident von Start St.Gallen. Deswegen ist Networking
der zentrale Punkt im Angebot von Start. Die Studenten
be- suchen gemeinsam Grosskonzerne, aber auch Klein-
und Mittelunterneh-men oder treffen in lockerer Atmos-phäre
Firmengründer. Auch auf die Kontaktpflege untereinander
wird Wert gelegt. Im Pioneers' Club, der ausschliesslich
Studenten mit einer eigenen Firma offen steht, pflegt
man den Erfahrungsaustausch und gibt sich gegenseitig
wertvolle Tipps. Ausser in St. Gallen gibt es Start-Teams
bereits auch in Zürich und in Lausanne. Information: www.startglobal.org.
Website von CASH Enterprise: cash.ch
|